Im amerikanischen Exil, das Max Horkheimer und seine Ehefrau Maidon ab 1934 zunächst in New York und seit Anfang der 1940er Jahre in Kalifornien verbrachten, arbeitete Maidon Horkheimer an einem Album mit Collagen, das sie Photographs nannte und das vermutlich als Geschenk für Max Horkheimer konzipiert war. Darin fügte sie auf schwarzem Papiergrund Ausschnitte aus Illustrierten und Zeitungen mit Fotografien entnommenen Köpfen und Körpern von Protagonisten des »inneren Kreises« des Instituts für Sozialforschung zusammen.Vgl. Birgit Erdle, Maidon Horkheimers Album Photographs, in: Anke Kramer und Annegret Pelz (Hgg.), Album. Organisationsform narrativer Kohärenz, Göttingen 2013, 168–190. Neben Horkheimer und ihr selbst begegnen dort unter anderen Friedrich Pollock und Felix Weil mit ihren Ehefrauen sowie der Hund der Horkheimers; Theodor W. Adorno und seine Frau Gretel fehlen in dem Panorama. Neben dem Album, das zwischen den späten 1930er und den frühen 1940er Jahren, also sowohl im New Yorker Exil wie in Pacific Palisades, entstanden sein dürfte, findet sich in Max Horkheimers Nachlass ein in Goldpapier eingefasstes Ringbuch mit ausgeblichenen, blau und rosa linierten Seiten, dessen Einband eine Schleife aus altrosa Seidenpapier ziert. Es enthält Collagen und Zeichnungen und entstand wohl im gleichen Zeitraum wie das Album (eine Vignette enthält die Datierung »Spring 1938«).
Maidon Horkheimer hat sich nicht nur zur Zeit der Arbeit an den Photographs für moderne bildnerische Kunstformen interessiert. In Notizbüchern und auf Postkarten finden sich bis in die 1960er Jahre karikaturhafte Zeichnungen, die von ihr und auch Max Horkheimer stammen. Die Sammlung von Zeitungsausschnitten, die sich in Horkheimers Nachlass zu Cartoons, Zeichentrickfilmen, Zirkus und Zoo findet, bildet nicht nur die Arbeit an Dialektik der Aufklärung ab, in der diese Phänomene im Kapitel zur Kulturindustrie vorkommen, sondern bezeugt ein Interesse an populären Kunstformen, das im »engen Kreis« des Instituts nicht zuletzt von Maidon Horkheimer ausging. In Album und Ringbuch, die sich ohne Absicht einer Veröffentlichung mit ihrer Fokussierung des von Horkheimer »Interieur« genannten inneren Institutszirkels an eine gleichsam private Öffentlichkeit richteten, scheint dieses Interesse ebenfalls auf. Weite Teile des Materials hat Maidon Horkheimer aus Zeitschriften und aus Werbung, aus dem Bildrepertoire der amerikanischen Massenkultur, aber auch aus Alltagsmythen der europäischen Kultur über den »Wilden Westen« bezogen. Indem sie Bruchstücke aus der Bilderwelt amerikanischen Alltags mit kolportagehaften Imaginationen der »Neuen Welt« aus einem zur Vergangenheit gewordenen Europa und mit Fotografien von Protagonisten der Kritischen Theorie zusammenfügte, schuf sie Konstellationen, die in der Kontinuität der Biografien und geistigen Erfahrungen zugleich jenen Bruch zur Geltung brachten, den die Emigration bedeutete. Die Formen, die sie hierfür nutzte, waren Kunstmittel und Techniken der europäischen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts: Montage, Collage, Verfremdung, Disproportionen, die Verbindung von menschlichen Körpern mit Objekten.