Dieser eingeschränkten Sicht auf die deutsch-jüdische Geschichte in Frankfurt entgegenzuwirken, stellte eine Herausforderung dar, der sich Georg Heuberger, ab Dezember 1985 amtierender Direktor des Jüdischen Museums, und sein Team annahmen. In Kontrast zu den Erzählungen vom Wiederaufbau jüdischen Lebens nach 1945 respektive der Wiederanknüpfung an ein jüdisches Erbe aus der Zeit vor 1945 stand dabei die jüdische Erfahrung des Bruchs im Vordergrund, die sich auch in den Familiengeschichten Heubergers und einiger seiner Mitarbeiterinnen und -arbeiter niedergeschlagen hatte: Als Kinder von Verfolgten und Holocaustüberlebenden teilten Georg Heuberger, Cilly Kugelmann, Susanna Keval und Hanno Loewy die Zugehörigkeit zur sogenannten Zweiten Generation von Juden im Nachkriegsdeutschland. Eine Darstellung der Kontinuität oder eines jüdischen »Beitrags« zur lokalen Geschichte lag ihnen fern. In diesem Sinne nahmen sie an der von nicht-jüdischen Akteuren sowie jüdischen Exil-FrankfurternDabei handelt es sich um eine Gruppe von mehrheitlich im englischen Exil lebenden Juden aus Frankfurt, die nach dem Krieg den Kontakt zur Stadt Frankfurt aufgesucht und 1961 an der Gründung der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Frankfurter Juden entscheidend mitgewirkt hatten. Viele der Mitglieder dieser Kommission beteiligten sich später auch an der inhaltlichen und programmatischen Konzeption des geplanten Jüdischen Museums. Vgl. hierzu Georg Heuberger, Zur Vorgeschichte der Gründung des Jüdischen Museum, in: ders. (Hg.), Die Pracht der Gebote. Die Judaica-Sammlung des Jüdischen Museums Frankfurt am Main, Frankfurt 2006, S. 24-39. entworfenen ursprünglichen Ausstellungskonzeption eine fundamentale Änderung vor: Sie ließen sie nicht mit der Geschichte eines vermeintlich tradierten, kontinuierlich existierenden Frankfurter Judentums im Exil, des sogenannten »kleinen Frankfurts andernorts,« enden. Vielmehr schlossen sie ihre Dauerausstellung mit der Geschichte von in der amerikanischen Zone Deutschlands gestrandeten jüdischen Displaced Persons ab. Diese Überlebenden nannten sich She‘erit Haplejta (Rest der Geretteten) – eine Selbstbezeichnung mit biblischer Referenz, die zweierlei implizierte: Neuanfang durch Rettung, aber auch Verlust durch Tod und Zerstörung. Es war daher kein Zufall, dass »Verlust« zur Leiterzählung der zeitgleich mit der Dauerausstellung präsentierten Wechselausstellung wurde. In der hatten Heuberger und sein Team all jene Objekte des alten Museums zusammengetragen, die nach dem 9. November 1938 gerettet und in alle Welt verstreut worden waren. Doch beabsichtigten sie –anders als Wolfram Brück– damit kein Anknüpfen an die Arbeit des einstigen Museums, keine Kontinuitätslinie zur vernichteten früheren Einrichtung. Vielmehr sollte die Ausstellung gerade umgekehrt die Zerstörung, die Plünderung und den Verlust der alten Judaica-Sammlung vor Augen führen. Die 1988 ausgestellten Objekte umfassten eben nicht die einstige Sammlung, sondern das, was von ihr übrig geblieben war: Von ehedem 18 000 Artefakten konnten gerade einmal vierzig zum Zwecke der Ausstellung nach Frankfurt geholt werden. »Was übrig blieb« lautete daher der Titel der Wechselausstellung – eine Formulierung, die ganz bewusst auf den durch erfahrungsgeschichtliche Hintergründe der Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter vermittelten Topos jüdischer Tradition zurückgriff. Dieser Rest des Geretteten, der am 50. Gedenktag an die Novemberpogrome gezeigt wurde, präsentierte nicht das Erbe einer glanzvollen Vergangenheit, sondern konfrontierte die Besucher mit dem Erbe der grausamen Zerstörung einer Tradition.Die Akten und Dokumente im Zusammenhang seiner Gründungsgeschichte befinden sich im hauseigenen Archiv des Jüdischen Museums Frankfurt.