Nach der Niederschlagung der ungarischen Räterepublik im Sommer 1919 floh ein Literat von Budapest nach Wien. Mit falschem Backenbart und geborgtem Pass gelangte er auf einem Donauschiff flussaufwärts in die ehemalige Residenzmetropole. Der Literat im Exil war Béla Balázs (1884–1949).
Balázs wandte sich bald dem Stummfilm zu. Drei Jahre nach seiner Ankunft in Wien, heuerte er als Filmreporter bei der Zeitung Der Tag an. Dort traf er auf Hugo Bettauer (1872–1925), der zu diesem Zeitpunkt bereits als Journalist für zahlreiche Wiener Blätter und als Romanautor etabliert war. Die Lebenswege von Balázs und Bettauer kreuzten sich für kurze Zeit. Als Redaktionskollegen verband sie nicht allein die Arbeit bei Der Tag. Beide waren jüdischer Herkunft, teilten liberale Ideen und die Vorliebe für moderne künstlerische Formen; beide wandten sich an eine neu entdeckte großstädtische Masse. In den Jahren als Kollegen entfalteten sie unabhängig voneinander große Produktivität. Balázs schrieb an Aufsätzen zum Kino, die er 1924 zu einer fragmentarischen Theorie des Stummfilms zusammenfasste (Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films). Währenddessen hatte Bettauer mehrere Romane vorgelegt, in denen er mit großem Erfolg gesellschaftspolitische Themen der Ersten Republik bearbeitete. 1922 publizierte er seinen Roman Die Stadt ohne Juden, der im Folgejahr verfilmt, insbesondere von nationalsozialistischer Seite aber scharf attackiert wurde.
Parallel dazu war Bettauer durch die Herausgabe erotischer Wochenschriften in juristische Schwierigkeiten geraten. Diese Publikationen hatten ihn zum Verfechter der sexuellen Befreiung in Wien, zugleich aber zum Feindbild konservativer, antisemitischer Kreise gemacht. Mehrfach musste er sich Anklagen wegen Kuppelei und Vergehens gegen die öffentliche Sittlichkeit stellen. Schulverbände und Sittlichkeitsvereine hatten sich seit 1900 gegen Unterhaltungsromane, Filme und populäres Theater formiert und führten nun sogenannte Schund- und Schmutzkampagnen, die ein bürgerliches Kunstverständnis, rigide Moralauffassungen und antisemitische Vorurteile miteinander verbanden. Während sich auch Balázs mit dem teils argwöhnisch beäugten Film beschäftigte, diesen gar gegen die Schriftkultur in Stellung brachte und gerade wegen seines sinnlichen Gehalts aufzuwerten suchte, richteten sich die politischen Attacken in aller Schärfe gegen Bettauer. Christlichsoziale Politiker eiferten gegen seine »jüdischen Schweinereien« Aussage des christlichsozialen Politikers Anton Orel während einer Gemeinderatssitzung, ein Bericht zur Sitzung findet sich in der Arbeiter-Zeitung, 22. März 1924, 8. und auch Bundeskanzler Ignaz Seipel stimmte in die Diffamierungen ein. Als Seipel im Juni 1924 ein Attentat knapp überlebte, wurde Bettauer als Drahtzieher einer linken Verschwörung verdächtigt. Im ohnehin gesellschaftlich hitzigen Klima des Spätsommers 1924 spitzten sich die Angriffe weiter zu. Bettauer musste seine erste Wochenschrift einstellen, die Stadt Linz verbot die Projektion der Romanverfilmung Die Stadt ohne Juden und im Oktober 1924 störten schließlich Nationalsozialisten eine Vorführung des Films in Wiener Neustadt.